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Über den Künstler


Gedanken zum Wesen der Kunst Ernst Steinackers

 

 

Wo liegt die erlösende Erkenntnis - eine umfassende Erkenntnis, die alles miteinbezieht? Den Himmel und die Erde und die eigene Form in der Einheit? Ist diese Form eckig oder rund? Ist diese Welt eckig oder rund? Ich weiss nur, dass ich mich sehne.

Ich suche eine ausgewogene Kunst. Rein - still - ohne Exzesse. Wohlgeborgen in der Würde des Lebens, dem Willen der Schöpfung hingegeben und seinem Atem. Da ist der Himmel - da die Erde - da bist Du. Alles ist in Allem.

Lass' mein Gemüt die Zeichen der Zeit erkennen. Lass' mich öffnen und suchen in der Allgegenwärtigkeit Gottes und seiner Gnade.

(Ernst Steinacker, Tagebucheintrag, 21. 03. 2001)

 

 

                                                                 

Die Kunst Ernst Steinackers ist im Seelisch -Geistigen geboren und im Stillen gereift - dort, wo sich bildhafte Intuition, schöpferischer Drang und spirituelle Suche berühren. Sie sucht im platonischen Sinne das Ideelle, das Wesen hinter der äusseren Erscheinung. Dabei ist - im Ganzen gesehen - die eine umfassende Idee, die den Bildhauer und Maler vorrangig beschäftigt: Die Idee der Sehnsucht nach geistig-seelischer Einswerdung. Wie ein zu entschlüsselndes Inbild umkreist er diese Idee in wiederkehrenden Motivgruppen und Sinnbildern seiner Skulpturen und Gemälde. Er sei, wie er es an vielen Stellen in seinen Tagebüchern umschrieb, auf der Suche nach einer modernen, bildnerischen Form, die eine Reinheit und Unverbrauchtheit des Empfindens sichtbar macht. Dieses lebenslange, schöpferische Unterwegssein lässt den Künstler in seinem künstlerischen Werdegang eine zunehmende Vergeistigung seiner künstlerischen Aussage, ein immer weiter fortschreitendes Bild der seelischen Einswerdung vollziehen. Tiefe, christlich - gläubige Innigkeit begegnet einem expressiven Gestaltungswillen.

Der Künstler, der auch sehr tiefgreifend und bekenntnishaft über sich und sein Werk geschrieben hat, sagte immer wieder, es sei das Anliegen seiner Kunst Bilder der Seele zu schaffen, um das Auge zu öffnen für die göttliche Schöpfung". (Ernst Steinacker, Tagebucheintrag 12. 11. 1994) Dieser künstlerisch - spirituellen Sehnsucht gegenüber ist der Künstler und Mensch Ernst Steinacker sein Leben lang treu geblieben - in einer sehr authentischen, unverwechselbar natürlichen Weise.

                                                          

Schon in frühen Jahren des Suchens entfaltet der Künstler eine Formensprache, die aus der Versenkung in die organische Natur schöpft. Die anhaltende Vorliebe des Künstlers für das naturhaft Erblühende, Gerundete, - für das aus einer inneren Kraft Knospende und Wachsende - wird mit den Jahren des künstlerischen Reifens gleichsam das Credo seiner schöpferischen Bemühung: Nämlich Gestaltung als Ausdruck einer ursprünglichen Lebens- und Keimkraft. In der Knospe zeigt sich das Leben in seiner stärksten Form - noch ist alles verborgen was werden soll, aber alles ist schon da und treibt zur Entfaltung. (Ernst Steinacker, Vita, 1972)

Diese, nennen wir sie naturhaft symbolische Abstraktion nähert sich mit den Jahren einem Vorstellungsbereich, der sowohl den irdischen Mikrokosmos als auch den universellen Makrokosmos umschliesst. Dieses keimend Spriessende, aus einer inneren Quellkraft sich Entfaltende spiegelt sich in den Arbeiten allmählich im Kosmischen wieder und zeigt sich allumfassend vereint im ewigen Kreislauf der schöpferischen Natur: Natura naturans. In runden, kurvigen und welligen Formen gerät es schliesslich in endlose Bewegung und Entwicklung, weshalb auch das Motiv der erweckenden Schöpfung, der Gebärenden Weltenseele immer wieder in den reifen Arbeiten des Künstlers begegnet. Die göttliche Quelle der Schöpfungskraft, - das Uranfängliche und Ewige, der geistige Keim der Lebenskraft, das Echte und Archaische haben Ernst Steinacker stets inspiriert und bewegt.

                                                                

Zeit seines Lebens war der Mensch, das Menschenbild Thema seines künstlerischen Suchens und Schaffens: Der Mensch im Lebenszyklus zwischen Geburt und Tod, der Mensch in seinen Fragen und Träumen, in seiner Verstrickung und Erlösungshoffnung und der Mensch vor allem in der Sehnsucht und Schönheit seiner Seele. Zahlreiche Bilderzählungen in seinen Bronzereliefs und grossen Bronzesäulen erzählen diese Existentialien des Menschseins, in denen der Mensch oft als Staunender, als Wanderer und Träumender zwischen den Welten erscheint. Insofern spielt das Bild des Menschen, insbesondere sein Antlitz, das Haupt des Menschen, in der Kunst Ernst Steinackers eine bedeutende, ja mitunter die eigentlich tragende Rolle. Was ist dem Menschen näher als sein eigenes Bild? Es ist, als bedürfe seine Kunst immer wieder der Selbstreflexion und Selbstbestätigung durch das menschliche Gesicht, jenem Motiv, das wie kein ein anderes Körperliches, Geistiges und Seelisches in sich vereint.
Die Suche nach dem Bild des Menschen legt für Ernst Steinacker immer auch eine Beziehung zum Seelischen, zum Religiösen offen; sie kann entsprechend der Ebenbildlichkeit von Gott und Mensch davon nicht gelöst werden. Aus diesem metaphysischen, urbildlichen Seinsbezug verbürgen letztlich die Schöpfungen Ernst Steinackers ihre Reinheit und Integrität. Mit weit geöffneten Augen blicken die Antlitze in die Welt; still und bewegungslos, staunend, in sich gekehrt. Das Auge, das Sehen, verharrt in einer Schau. Man hat oft den Eindruck, die Köpfe blicken in eine unbekannte, aber gegenwärtige, jenseitige Welt.

Mit diesem Fragen und Ringen nach dem inneren Menschen (dem neuen Menschen) wachsen die Motivgruppen und Themen des Künstlers aus innerer, seelischer Notwendigkeit: Das Bild des Menschen und sein Antlitz, das Menschenpaar, Heilige (insbes. die Hl. Walburga) und Gestalten aus der biblischen Heilsgeschichte, die Engel und die Bilder zur Freude der Auferstehung. Diese vordergründig als traditionelle Themen erkennbaren Grundmotive seiner Kunst bilden gleichwohl nur den Ausgangspunkt, das geistige Fundament zu einer sinnenreichen, aus den Gesetzen des Plastischen gereiften Stilisierung und Abstrahierung der Form. Findet sich das Menschlich - Seelische in früheren Arbeiten noch im Ausdruck naturnaher, lyrisch verklärter Bild- und Symbolschöpfungen wie in den Serien der Flötenspieler, der Tänzerinnen oder den Szenen aus der Welt des Zirkus, weitet sich dieses schliesslich aus auf elementare und ganzheitliche Bezüge der menschlichen Existenz und beginnt im Spätwerk um die letzten Dinge zu ringen.

 

Mit den Jahren wachsen die Antlitze und Köpfe des Künstlers gewissermassen über ihre äussere Begrenzung hinaus, beginnen sich zu monumentalisieren und in Beziehung zu treten. Ich - Du, Mann - Frau, Innen - Aussen beginnen eine Einheit zu bilden, die den Künstler metaphysische Einblicke in das Menschenbild, gleichsam ein visionäres Inbild menschlicher Existenz finden lässt. Nähern sich in Arbeiten der 1960er und 1970er Jahre Mann und Frau voller Harmonie im Bild der Berührung und Nähe, beginnen ihre Gesichter und Leiber sich allmählich immer mehr zu durchdringen. Mann und Frau wachsen ineinander, verschmelzen gewissermassen zu einer Keimzelle universellen Lebens und erreichen schliesslich grösstmögliche Nähe: Sie werden ein Gesicht, eine Form. Ein Mund spricht aus ihnen, ein Geist lässt ihr vereintes Antlitz leuchten. In diesen sog. Kopf- oder Paar - Ikonen, wie der Künstler sie nannte, vereinigen sich Mann und Frau zu einer urbildlichen Einheit des Menschseins im Eins - Sein von Mann und Frau, von Körper und Seele, von Individualität und Universalität. Meist zeigt sich in den Gemälden das vereinte Menschenantlitz inmitten kosmischer Weiten, Sonne und Mond über ihnen, fast sakralisiert. Alles scheint sich einander anzugleichen und eines Ursprungs zu sein: Unio mystica.

 

Aus dieser ideellen Einheit des Menschenpaares wächst mit den Jahren auf Schloss Spielberg (1983 - 2008) im Künstler immer mehr eine auf das Jenseits gerichtete Sehnsucht und Einheitssuche. Die Gestalt und das Bild des Engels, jenes transzendente Geistwesen, das sich unmittelbarer Einsicht entzieht, erweckt in Ernst Steinacker eine unmittelbare Anziehungskraft und Entfaltung seiner schöpferischen Energie, die zahlreiche neue Engelbilder und Engelplastiken entstehen lässt. Verwurzelt in einer ländlichen Welt gottesfürchtiger Spiritualität ist für Ernst Steinacker das Bild des Engels seit früher Jugend eine existente Gestalt, die ihm zum Ort der Seligkeit und des jenseitigen Lauschens, zum Ort unsichtbarer Begegnung, aber auch zum Ort geistigen Ringens und der Entscheidung wird. Den inneren Anstoss zu den seit seines Lebens geschaffenen Engel-Skulpturen und Engel - Bildern, häufig auch in Form von Engelchören, hat der Künstler, wie er immer erzählte, in seiner Jugendzeit im Gotteshaus der nahen Wallfahrtskirche Maria Brünnlein in seiner Heimatstadt Wemding erfahren. In den Wirren der Kriegserlebnisse erfährt das Bild des Engels als Beschützer und seelisches Inbild eine existentielle Intensität und in der Reife seines Alters kann er das Bild des Engels in Form einer mystisch gefühlten Einswerdung beschreiben. Wer bist Du, der Du mir so nahe bist?, lautet der Titel des Anfangstextes in seinem Buch Meine Engel Gottes von 1992. Darin (S. 8, 12) schreibt Ernst Steinacker bekenntnishaft:

Ich möchte Dich kennenlernen. Ich möchte in Dein Antlitz schauen und meine Sehnsucht stillen. Denn in Dir sind die Züge der Herrlichkeit Gottes. [...] Wer bist Du, der Du mir so nahe bist? Der Du mir in den schwersten Tagen des Krieges beiseite standst und mir nach Gottes Fügung die drohendsten Gefahren abzuwehren verhalfst? [...] Wer bist Du, der Du mir beistandst, fast körperlich nah, dass ich Dich spüren konnte? Da ist wer, der Dein Freund ist. Der Dich und das Leben zum Guten, zum Überleben lenken will. Der nicht müde wird, beizustehen im Glauben, nicht müde wird, beizustehen im Suchen nach Schönheit, Reinheit und dem Glanz des Ewigen.

Diese Sätze drücken das Erstaunen aus über das Beschütztsein der Seele und des Lebens durch die Engel. Das Engelhafte wird als die aus der unmittelbaren Nähe des seelischen Ichs sprechende innere Stimme erkannt, als unsichtbarer Gefährte und göttlicher Begleiter.

Steinackers Engel sind Friedensbringer, mitunter Vollstrecker des endzeitlichen Gerichts - aber er lässt eine direkte ikonographische oder theologische Bestimmbarkeit offen oder öffnet diese aus ihren begrifflichen Klammern in neue Sichtweisen. Seine Engel wollen das Verborgene enthüllen und offen legen. Sie wollen eine neue geistige Freiheit und universelle Öffnung verkünden, kundtun die Empfindung einer allseits offenen Welt, das Wunder und den Einbruch des Überwirklichen in die Paradoxie unserer Existenz. Insbesondere in den überlebensgrossen Engelskulpturen und Engelgruppen, wie sie mehr und mehr die Schlossanlage Spielberg umsäumten, ist das Ausdrucksvermögens des Künstlers auf ein Essentielles vereinfacht und in hochaufragende, still erblühende Formen komponiert. Meist erhebt sich die einzelne Engelfigur im Emporstreben plastischer, organisch wachsenden Volumenkonturen und zeigt sich in einem scheinbar anliegenden, bunt bemalten Gewand. Als frei schwingend erscheinende Körperlineatur weniger und mit den Jahren zunehmend reduzierter Grundformen vereint sie im Ausdruck Schweben und Ruhen, Bewegung und stilles Dasein. Namentlich auf der sog. Engelwiese in den Aussenanlagen auf Schloss Spielberg, stehen - in Gruppen vereint oder einzeln - Steinackers Engel so als würden sie die altehrwürdige Burg beschützen wollen und gleichzeitig die Besonderheit des Ortes kennzeichnen und betonen.

 

Im Alterswerk des Künstlers schliesslich mündet seine Einheitssehnsucht nach dem Jenseits in grosse Auferstehungsbilder; der Künstler nannte sie Bilder von der Freude der Erwartung. Diese finalen Bildserien, die Ernst Steinacker als sein künstlerisches Vermächtnis verstand, lassen ihn immer mehr die Hoffnung und Vision des auferstehenden, verklärten Leibes entfalten.

Diese Grundmotive der Kunst Ernst Steinackers sind die schöpferischen Brennpunkte und Leitgedanken des Künstlers und stehen zueinander in innerer, seelischer Entwicklung. So als ob die Entfaltung und das Wachstum der menschlichen Seele einer Art Stufenleiter gleicht, die Stufe für Stufe vom Materiellen zum Geistigen führt. Die Kunst Ernst Steinackers ist, wie ich sie verstehe, der Weg einer Kunst als Einheitssuche, der Weg einer Kunst als schöpferischer Synthese von Innen und Aussen, von Körper und Geist, von Himmel und Erde.

 


Veit Steinacker

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